Der Mangel an Fachkräften bereitet Betrieben in Deutschland branchenübergreifend Sorge:[1] Laut einer Umfrage der DIHK erhalten über ein Drittel der Unternehmen nicht einmal mehr eine Bewerbung auf die von ihnen ausgeschriebenen Stellen. 

Mehr als jedes zweite Unternehmen in Deutschland (57 Prozent) sucht erfolglos Facharbeiter:innen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung[2]. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hervor, bei der 15000 Ausbildungsbetriebe befragt wurden. Auch die Absolventinnen und Absolventen einer höheren Berufsbildung – einer Weiterbildung, zum Meister oder Fachwirt – suchen die Unternehmen auf nahezu konstant hohem Niveau vergeblich: 36 Prozent der Betriebe, die langfristig keine Fachkräfte finden können, suchen höher Qualifizierte. Ihre Anzahl ist im Verhältnis zu Absolvent:innen einer dualen Ausbildung oder zu Hochschulabsolventinnen und -absolventen deutlich geringer. Damit deutet der Wert von 36 Prozent der Unternehmen, die erfolglos suchen, auf erhebliche Engpässe in diesem Qualifikationsbereich hin. [3]  

Laut Bundesagentur für Arbeit kommen derzeit auf 100 angemeldete Ausbildungsplätze 77 Bewerberinnen und Bewerber, auch in Baden-Württemberg. Laut der baden-württembergischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit werden die Ausbildungsmöglichkeiten vor allem im Einzelhandel nicht genutzt. Insgesamt sind in Baden-Württemberg fast 3600 Ausbildungsplätze nicht besetzt. Im Vergleich zu den Vorjahren scheint sich diese Situation – wie auch im gesamten Bundesgebiet – immer weiter zu intensivieren. Als mögliche Gründe nennt das Wirtschaftsministerium sowohl den demografischen Wandel als auch das Image vieler Ausbildungsberufe.[4] Dies zu lösen, scheint nur auf den ersten Blick die Aufgabe kleiner und mittelständischer Unternehmen zu sein. Es ist zwar wichtig, die Attraktivität der Ausbildungsstellen z.B. durch moderne Konzepte zu Arbeitszeiten, Ausübungsort oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie einer attraktiven Bezahlung zu steigern, doch die Unternehmen benötigen hierfür auch passende Rahmenbedingungen. Sprechen in strukturschwachen Regionen oft mangelnde Digitalisierung und unzureichende Infrastruktur gegen einen Arbeitsplatz für potentielle Bewerber:innen, ist es in städtischen Gebieten hingegen nicht selten der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der es Bewerber:innen schwer macht, ihren Wohnort für eine neue Stelle zu verlassen. Da geraten Firmen schnell an die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten.  

Betriebe sollten ihre digitale Präsenz verbessern

Die duale Ausbildung kann als zentrale Säule des deutschen Mittelstandes bezeichnet werden, doch die durch die demographische Entwicklung sinkende Zahl an Schülerinnen und Schülern nimmt ihr zunehmend das Fundament. In seiner Ausgabe vom März 2022 zeigt das Handwerk-Magazin Strategien auf, mit denen ein Betrieb Schulabgängerinnen und Schulabgängern von sich begeistern kann.[5] Am Beispiel eines Handwerksbetriebs im Süden Deutschlands lässt sich zeigen, wie sich ein Unternehmen erfolgreicher gegenüber potentiellen Bewerberinnen und Bewerber positionieren kann.[6]  Indem der Betrieb begann, Anwärte:rinnen auch in sozialen Netzwerken zu suchen, wurden sie fündig. Zudem platzierte der Betrieb sein Gesuch nicht nur auf Facebook, sondern auch auf „Ausbildung im Handwerk“. Es zeigt sich also, dass die Sichtbarkeit der zu besetzenden Stelle sowie ein niedrigschwelliger Kontakt zu den Interessent:innen entscheidende Erfolgsfaktoren sind. So wurde auch in sozialen Netzwerken auf die Ausbildungsstelle hingewiesen und hier auch die Möglichkeit genutzt, direkt mit den Anwärter:innen per Chat zu kommunizieren. Geht ein Unternehmen den Schritt in den virtuellen Raum, um Bewerber:innen zu finden, bieten sich neben den bekannten sozialen Netzwerken auch noch – z. T. regionale – Plattformen wie Azubi-plus an.[7] Der Vorteil an diesen Plattformen ist, neben dem vergleichsweise geringen Aufwand für die Suchenden, dass sie oft branchenspezifischer und stärker mit regionalem Fokus arbeiten als zum Beispiel Suchen des Jobcenters.  

Um sich auch vor Bewerber:innen präsentieren zu können, die unter Umständen noch gar nicht in der jeweiligen Branche gesucht hatte, gibt es zudem virtuelle Messen und Fachmessen. Hier ist allerdings von Seiten der Unternehmen darauf zu achten, dass sich eine virtuelle Präsentation grundlegend von einem traditionellen Messestand unterscheiden muss. Der Vorteil ist jedoch, dass Bewerber:innen derartige Messen zeitlich unabhängig besuchen können und die Unternehmen auf diese Weise länger sichtbar bleiben. Ein gutes Beispiel hierfür ist die bestjobever auf Youtube.[8] Weniger lohnenswert sind laut BIBB-Studie sogenannte digitale Praktika.[9] Der Grund hierfür liegt höchst wahrscheinlich darin, dass sich die meisten Sorgen und Vorurteile, die Berufsanfänger:innen gegenüber einem Betrieb haben (könnten) erst im wirklichen Arbeitsalltag und nicht in dessen Simulation ausräumen lassen. So kam die Bertelsmann-Stiftung bei einer Befragung jüngst zum Ergebnis, dass sich viele Jugendliche mangelhaft über die Berufswelt informiert fühlen.[10] Praktika in der Realität können dem entgegenwirken und einen authentischen Einblick in die Arbeitswelt liefern. Zudem bieten sie die Chance, das Image des Betriebes oder Berufes zu verbessern.[11]  

Weiterbildung der bestehenden Fachkräfte unausweichlich

Neben diesen Maßnahmen, die sich vor allem an Berufseinsteiger:innen und digital sehr affine Personen richten, gibt es für Betriebe noch die Möglichkeit, an den Punkten Mobilität- und Arbeitszeit sowie Gehalt und Familienfreundlichkeit zu arbeiten und gezielt auf Fachkräfte aus dem Ausland zuzugehen. Dennoch werden diese Maßnahmen – so die Einschätzung der DIHK – nicht ausreichen, um mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen. Zentral sei auch die kontinuierliche Weiterbildung der bereits vorhandenen Kräfte. „Digitalisierung, Klimawandel sowie weitere Bereiche des Strukturwandels erfordern von den Unternehmen zum Teil merkliche Anpassungen bis hin zu geänderten Produktionsabläufen und -verfahren oder neuen Geschäftsmodellen.“ Hierzu gehört auch der Fachkräftemangel. [12]  

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Unternehmer:innen der objektiv abnehmenden Anzahl an Bewerber:innen nicht vollkommen machtlos gegenüberstehen. Insbesondere die Digitalisierung kann in dieser Situation ein wirkungsvolles Mittel sein und Unternehmen sollten hier nicht unter ihren Möglichkeiten bleiben – so kann schon eine Unternehmenswebseite weit mehr als eine digitale Visitenkarte sein und bietet Möglichkeiten, nützliche Inhalte und authentische Einblicke in den jeweiligen Betrieb und die betrieblichen Abläufe zu vermitteln. Dies erhöht die Sichtbarkeit, baut Vorurteile ab und erlaubt es Bewerber:innen, sich ein Bild zu machen.